Waldhaus Sils Maria

Wohnen wie Hans Castorp

MIT dem handy bitte in die Telefonzelle

Der wahre Luxus lässt sich nicht an Materialien festmachen, aber ohne die materiellen Möglichkeiten kann man sich den wahren Luxus leider auch nicht leisten. So könnte man einen Aufenthalt im Waldhaus Sils Maria im Engadin zusammenfassen. Denn für eine ganze Stange Fränkli bekommt man dort eben keine goldenen Wasserhähne, wobei der Verfasser auch nicht alle Zimmer gesehen hat, aber sich kaum vorstellen kann, dass es ein Zimmer mit solchen geben sollte. Das hat einen entscheidenden Vorteil, der nun bitte an dieser Stelle nicht als Rassismus ausgelegt werden möchte: Neureiche Russen und arabische Ölmultis mit überdrehten Ansprüchen findet man im Waldhaus eher nicht. Zumindest nicht während eines Aufenthalts über drei Tage zwischen Weihnachten und Neujahr.

Im Waldhaus zahlt man also nicht für prunkvollen Luxus, aber für viel familiäre Grand Hotel-Kultur. Das fängt schon in der Eingangshalle an, in der man von einem Vertreter der Eigentümerfamilie Kienberger per Handschlag begrüßt und nach den Umständen der Anreise befragt wird. Sodann trifft man bald auf die Personifikation der Diskretion, den stellvertretenden Concierge Jean Baldo, der todsicher auch bei den prominentesten Gästen nicht sieht, mit wem sie aufs Zimmer gehen. Denn er ist blind, aber findet sich virtuos am Pult und Schlüsselschrank zurecht. Am Schlüsselschrank hilft Blindenschrift, am Pult ein gutes Gehör und ein gutes Gedächtnis für Zahlen und Stimmen. Kurz wundert man sich, warum am Pult von Jean Baldo nicht die üblichen Gästetrauben den Weg versperren, wenn man endlich ankommen will: Richtig, niemand ist am Auschecken und verursacht durch akribisches Rechnungsprüfen einen Checkin-Stau. Denn für das Thema Bezahlen gibt es ja den diskreten Kassenraum. Geldgeschäfte finden im vertraulichen Rahmen und geschützten Raum statt. Auch das Engadin ist eben ein Teil der Schweiz!

An dieser Stelle der wohlwollenden Journalisten-Arien über das Waldhaus kommt meist eine lange Aufzählung der illustren Gäste, die schon hier genächtigt haben. Mit besonders langen und akribischen Listen hegt der Journalist die Hoffnung, dass er vielleicht einmal eine kostenlose Logis ergattern könnte. Wer ein wenig Menschenkenntnis hat, schlägt sich diesen Wunsch gleich aus dem Kopf und druckt die Liste der illustren Gäste allein aus Gründen der historischen Vollständigkeit und Bedeutung des Hauses ab und erhofft sich daraus besser keinen Vorteil: Thomas Mann, Albert Einstein, Marc Chagall, Max Liebermann, Gerhard Richter, Samuel Fischer, Donna Leon etc. etc. Aufzählungen sind eine Art Programm des Hauses: Zum Beispiel die Liste der über 600 Weine auf der Weinkarte und die Liste der Zimmerkategorien, die man nicht überblicken muss, solange die Reservierungsabteilung das tut.

Was den eigentlichen Luxus im Waldhaus ausmacht, ist der bewusste Verzicht auf oberflächlichen Luxus und Prunk, den man heute von einem 5 Sterne Luxus Hotel erwarten würde. Waldhaus-Luxus ist, dass niemand in der Lobby lauthals die Schneeverhältnisse durchs Handy an die Daheimgebliebenen brüllt, denn im Waldhaus geht man auch mit Handy in eine der Holzkabinen zum Telefonieren. Zur Teatime spielt das slowakische Waldhaus-Trio unter der Leitung von Eugen Bitto und nach dem Abendessen spielt man Bridge. Und in der Hotel-Bibliothek sind tatsächlich auch mal alle Schreibtische mit Lesenden besetzt, obwohl der Schnee draußen grandios ist. Im Waldhaus zahlt man für den Luxus einer eigentlich vergangenen Grand Hotel-Kultur, die hoffentlich noch lange am Leben erhalten werden kann - auch ohne 500 qm Nass- und Wellnessbereich. Deshalb: Bitte nicht zu viel renovieren, liebe Eigentümer!

www.waldhaus-sils.ch

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